"Potentielle Gespannfahrer" oder "Unheimliche Begegnung mit dem dritten Rad"

(Winterfahrt mit einem angejahrten 1100er Gold Wing-Gespann)


Bei der Vorstellung unserer Fahrzeuge auf dieser Homepage werden die Solofahrer als "potentielle Gespannfahrer" bezeichnet.

Nun, wie schnell so einer (ich!), notgedrungen und vorübergehend zum Gespannfahrer wurde, möchte ich hier erzählen!

 

Ehrlich gesagt, gehöre ich zu denjenigen, die das "dritte Rad" immer als "Stützrad für den Winterbetrieb" angesehen haben. Jetzt bin ich, als Gold Wing-Fahrer auch eher zufällig zu den Gespannfreunden gekommen - hier gibts' nämlich recht viele davon, die diese Maschinen in als kraftvolles Zugpferd für das Boot benutzen. NEIN, wir sind KEIN Gold Wing-Club und tolerieren auch die anderen - OH, was hab' ich denn da geschrieben ;-) ? Durch die meist milden Winter der letzten Jahre bin ich auch ganz gut gekommen, zeitweise mit Unterstützung einer 250er Enduro (Honda XL 250 K3, Baujahr 1976). Aber die will jetzt nicht mehr so richtig, und damit fing alles an!

An einem kalten, aber wettermäßig (noch!) offenen Mittwochnachmittag Mitte Februar 2005 bin ich also mit der "Dicken" (Honda GL 1200 I) von zu Hause (in Hamm) nach Westönnen gefahren und in der Werkstatt verschwunden, um an dem XL 250 K3-Motor zu werkeln. Kurz vor Beginn des Stammtisches kamen Eugen und Jürgen herein und meinten, ich sei doch recht mutig. Wieso??? Nun, mittlerweile und von mir unbemerkt, hatte es leicht zu schneien begonnen und die zuvor nassen Strassen waren vereist! Kein Problem, meinte Eugen, nimm doch das 1100er Gespann, es wird im Moment nicht gebraucht. Ja, ist klar: bin noch nie Gespann gefahren und kenne die 1100er Gold Wing nicht. Gold Wing sei Gold Wing (oh - oh, siehe weiter unten!) und ich solle doch eine Proberunde drehen; darüber musste ich erst 'mal nachdenken!

Später war es so weit: das Gespann stand im leichten Schneetreiben auf dem dunklen Hof und grummelte vor sich hin. Hinaus auf die Strasse - nur nicht am Bordstein anecken! Dann raus aus Westönnen auf den Landweg Richtung Mawicke: leichtes Glatteis, Schneefahnen fegten über die Strasse - hoffentlich funktioniert das Handy, damit sie mich aus dem Graben ziehen können. Aber es ging ...! Wenden Fehlanzeige (alles so eng hier, ich trau' mich nicht!), also in Mawicke rechts ab zur B 1. Darauf vorsichtig beschleunigen, glücklicherweise liessen es auch die vierfach geräderten bei den Wetterverhältnissen langsam angehen! Nach Westönnen rechts ab? - Nööö, beginnt gerade Spaß zu machen! Also weiter bis Ortseingang Werl und eine freie Fläche zum Wenden gesucht - hoppla, das rutscht aber! Diesmal beim Einfahren auf die B 1 etwas vorsichtiger mit der Gashand und so kam ich tatsächlich erst wieder auf Potthoffs Hof und dann "heim ins Nest".

Das war der Anfang in einer kalten Winternacht - gibt es etwas besseres, um Gespannfahren zu lernen?

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Aber die Geschichte geht noch weiter!

Ich musste nämlich am folgenden Wochenende, dass ich mir mit einem freien Freitag (heisst ja schliesslich so, oder?) verlängert hatte, nach Noord-Holland ans Ijsselmeer zu unserem Ferienhaus. Dafür hatte ich zwar schon unser Familienauto zur Verfügung ("Schatz, wäre es nicht besser wenn ich bei dem Wetter...?"), aber natürlich ist es doch besser, wenn meine Frau das "Taxi Mama" daheim hat! OK, ok, Winterwetter hin oder her - es interessierte mich, eine längere Strecke mit einem Gespann zu fahren - vielleicht sogar in Schnee und Eis, die schwärmen alle sooo davon!

Also gut, nach einer kurzen Nacht (ich musste noch packen!) am frühen Donnerstag morgen erst mal die knapp 100 km zur Arbeit nach Duisburg. Danach hatte sich das Gespann in eine Art "Salzhering" verwandelt, ab irgendwo hinter Dortmund bestand die Luft im regen Berufsverkehr auf der A 2 überwiegend aus hochgewirbelter Salzlake! Auf dieser Strecke in echt "motorradfeindlicher" Umgebung war ich froh, dass ich zumindest nicht umkippen konnte, auch wenn mich manchmal die Bewegungen des Gespannes, z.B. in Spurrillen, etwas irritierten! Von wegen "Gold Wing sei Gold Wing": die Ausfahrt Duisburg-Wedau im Visier blieb ihr während des Überholens eines LKWs der Sprit weg! Panik - und dann die Erkenntnis, das die 1100er noch einen klassischen Benzinhahn mit Reserveposition hat (die 1200er hat nur eine Warnleuchte und wenn die brennt, noch ca. 5 Liter Benzin). Umschalten - und der Adrenalinpegel sank wieder! Beim Einparken auf dem beschneiten Seitenstreifen dann die nächste Erkenntnis: denk immer dran, dass ein Gespann breiter ist, als Deine "Solo"! Ich wollte auf dem schmaleren Stück neben einem Baum, davor zum Schutz des Baumes ein Rohrbügel, einparken - es knirschte und "plopp" - dann hing die Blinker-/Positionsleuchtenkombination des Beibootes nur noch an den Kabeln (SCH....!). Naja, mit tatkräftiger Unterstützung natürlich neugieriger Kollegen ("Mit einem Gespann? - Das müssen wir uns angucken!") haben wir den Schaden in der Mittagspause erst mal provisorisch mit Packband behoben.

Dann, am frühen Nachmittag ging es nach dem Tanken weiter über die A 3 zur niederländischen Grenze. Je länger unterwegs, desto mehr gewöhnte ich mich an das Eigenleben des Gespannes und stellte fest, dass es bei höherem Tempo, z.B. zum Überholen, doch lieber vorausschauend mit sanftem Zug gelenkt werden möchte! Ich selber benutze die Autobahn eher ungerne und wechselte somit kurz hinter der Grenze bei Zevenaar auf die Nationaalstraat Richtung Doesburg und geriet damit in den Sog der in NL unvermeidlichen Kreisverkehre! Mit denen stand ich erst mal auf Kriegsfuss: die Rechts-Links-Rechtskurven-Kombination und dafür notwendige Turnerei - jetzt brauchte es doch kräftigeren Zug am Lenker - gelang mir nicht auf Anhieb! Meist rumpelte ich beim Ausfahren aus dem Kreisverkehr mit dem Seitenwagenrad über die rechte (und zum Glück meist angeschrägte!) Bordsteinkante. Und schon wieder ein Kreisverkehr, durch und ... MIST! Gegen Ende dieser Fahrt hatte ich dann den Trick raus: beim Ausfahren weiter nach links laufen lassen, ein kräftiger (!) Zug am rechten Lenkerende, über den Seitenwagen beugen (der war bis auf Gepäck und einen grossen Stein als Gegenwichte leer!) und Gaaas!

Auf diesem Stück meldete sich leider auch die Zugmaschine mit rot blinzelnder Ölkontrollleuchte, bei niedrigen Drehzahlen und in Kurven brach der Öldruck im Motor immer häufiger ein! Und wie das so ist: an die erste Tankstelle traute ich mich nicht, da sie auf der falschen Seite der vierspurigen Durchgangsstrasse war - wie komme ich da wieder zurück, werde ich dieses Gerät wenden können? Also vertraute ich auf eine nächste Tankstelle auf der richtigen Seite - die natürlich nicht kam! Nun, dann musste es eben noch 25 km gehen, in Vorden hinter Zutphen fand ich dann eine Tankstelle und kaufte einen Liter Öl. Von wegen "Gold Wing sei Gold Wing": wo ist denn der  Ölpeilstab??? (Die Auflösung erhielt ich hinterher: es gibt ein Ölschauglas auf der rechten Motorseite, aber da ist der Seitenwagen vor!) Also Durchblick oder nicht: erst mal 0,4 l Öl drauf, mal sehen, ob dann Ruhe herrscht. Erst mal gings, habe später aber doch den Rest hineingekippt - die Kontrollleuchte blinzelte manchmal noch!

Ja, so bin ich dann in der Dämmerung in Andijk am Ijsselmeer angekommen und habe das Gespann bis Sonntag stehen gelassen.

Am Sonntag dann zurück. Schnee hatte es nicht wirklich gegeben, es war um die 0 Grad, trocken, aber windig! Also ging es bei Windgeschwindigkeiten von ca. 65 km/h (hatte der Wetterbericht behauptet!) über den Markwaarddeich von Enkhuizen nach Lelystad. Nun, es war schon zu merken, dass der Wind sich ab und an den Seitenwagen packen wollte - aber kein Problem! Manchmal trieb noch leichter Schneefall über die Landschaft - besser so als Regen! Insgesamt war die Rückfahrt, diesmal auf meiner bevorzugten "Überland-Route" mit nur ca. 20 km Autobahn (die niederländische A 50 von Epe bis kurz vor Apeldoorn) eher unspektakulär! Es lief halt. Erst auf dem letzten Stück, so irgendwo zwischen Winterswijk und Coesfeld begann es wieder winterlicher auszusehen, hauptsächlich neben der Strasse, wo Schnee liegen geblieben war. Den weissen Belag auf der Strasse hatte ich als "Salz" interpretiert, bis das Gespann dann bei Nordkirchen in einer Rechtskurve mit etwa 80 km/h nach links driftete - oha! Habe es dann mit Zug am rechten Lenkerende - driften lassen, rechts ziehen - usw. wieder eingefangen. Zum Glück hatte ich keinen Gegenverkehr - ich war dabei nämlich bis auf die Gegenfahrbahn geraten! Also: Gespann schützt vor Glatteis nicht, aber es bleibt beherrschbar!

Damit war ich wieder daheim und von größeren Aus- oder gar Unfällen verschont geblieben. Habe dann am Mittwoch das Gespann zurückgebracht und dabei unterwegs ein durchgescheuertes Zündkabel geflickt - spannend bis zum Schluss - aber es kam noch dicker! Aus dem zunächst leichten Schneefall an diesem Mittwoch nachmittag wurde abends eine, auch auf Strassen erst mal geschlossen bleibende Schneedecke. Somit musste das Solo-Motorrad wieder stehen bleiben, was von den übrigen Stammtisch-Besuchern entsprechend kommentiert wurde: ich solle doch 'mal über ein Gespann nachdenken! Dank KD, der auch wieder nach Hamm zurück musste, habe ich diesmal die Rückfahrt bequem zurückgelehnt im geschlossenen Seitenwagen seines Gespannes zugebracht. Der Spass begann so richtig, als er mir auf einer Nebenstrasse zeigen konnte, wie schööön ein Gespann driften kann.

Nun, auch das hatte was. Mal sehen, was die Zukunft so bringt!

Es grüsst als "potentieller Gespannfahrer",
Uwe


Hier nachträglich noch ein paar Bilder von unterwegs
(und ein Lückenfüller aus dem Feriendorf):